2017 – das Lutherjahr: Luther hier und Luther da! Martin Luther überall! Aber was hat nun dieser strebsame Studiosus, geistreiche Gelehrte und rebellische Reformator mit Sprache zu tun, oder gar mit Bier? Mit Sprache hat der Augustinermönch Luther tatsächlich sehr viel zu tun: Denn er war nicht nur Theologe, sondern auch ein sprachgewaltiger Übersetzer! Martin Luther – ein Übersetzer?

Martin Luthers Bibelübersetzung… 

Mit seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche, an der er von 1521 bis 1534 arbeitete, und damit auch den Grundstein für die Sprache legte, die wir heute als Hochdeutsch kennen, dürfte er die deutsche Sprache beeinflusst haben wie kaum ein anderer. Denn zur Zeit der Reformation gab es noch keine allgemeine deutsche Sprache, sondern Oberdeutsch (im Süden), Niederdeutsch (im Norden) und Mitteldeutsch (in der Mitte). Diese drei Ausprägungen des Deutschen wiesen so erhebliche Unterschiede auf, dass sie untereinander nur schwer verstanden wurden. So hieß z.B. ein Keramikermeister je nach der geographischen Lage seiner Werkstatt Hafner, Pötter oder Töpfer.

… ein gesamtdeutsches Werk

In seiner Übersetzung der Bibel verwendete Martin Luther, der ja in Mitteldeutschland beheimatet war, sprachliche Elemente aus allen Varianten des Deutschen, die damals gesprochen wurden, und schuf so erstmals ein Werk, das in ganz Deutschland gelesen und verstanden werden konnte. Die Erfindung der Druckerpresse kam da gerade recht. Der wortgewandte Kirchenmann verfasste darüber hinaus unzählige Schriftstücke und Predigttexte und reihte sich so unter die wichtigsten deutschen Autoren aller Zeiten ein – ein echter Beststeller-Autor!

Leserorientierte Übersetzung

Doch Luthers Übersetzung der heiligen Schrift war nicht nur das erste „gesamtdeutsche“ Werk, sondern auch die erste leserorientierte Übersetzung. Eigentlich gab es ja vor der Lutherbibel schon 18 andere deutsche Ausgaben. Aber alle, auch die spätantike, vom Hl. Hieronymus (der übrigens als Schutzpatron der Übersetzer gilt) übersetzte lateinische, Vulgata genannte „Ur-Bibel“ sind genau genommen schon Übersetzungen von Übersetzungen. Denn Jesus sprach aramäisch, und seine Worte sind nur auf Griechisch überliefert. Und auch das Neue Testament zitiert die Schriften nicht im hebräischen Original, sondern in ihrer griechischen Übersetzung.

Die früheren deutschen Übersetzungen der heiligen Schrift basieren jedenfalls auf der Vulgata und sind sehr wortgetreu an den lateinischen Text angelehnt, weshalb der deutsche Text oftmals schwerfällig und unverständlich ausfällt. Martin Luthers Übersetzung hingegen orientiert sich an der Zielsprache, nicht an der Ausgangssprache.

Protestantische Arbeitsethik

So nahm der Reformator, der als eifriger Theologe über ausgezeichnete Kenntnisse des Hebräischen und Griechischen verfügte, auch diese jeweiligen Ausgangstexte zu Hilfe, um den Sinn der Heiligen Schrift möglichst genau zu erfassen und wiederzugeben. Auch zog er verschiedenste Experten (z.B. seinen Freund Philipp Melanchthon) zu Rate und recherchierte viel Hintergrundmaterial. Er war ein sehr gründlicher und genauer Übersetzer, nicht umsonst spricht man von „protestantischer Arbeitsethik“.

Dem Volk auf’s Maul geschaut

Für Luther bedeutete Übersetzen – und auch dieser Gedanke war gewissermaßen schon reformatorisch – den Text in eine für die Leser (oder Zuhörer) verständliche Form zu übertragen und dabei die kulturellen Gegebenheiten der Leserschaft zu berücksichtigen: „Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel [seine Kritiker] tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.“ Er erlaubte sich also gewisse übersetzerische Freiheiten, um den Text verständlicher zu machen.

Sendbrief vom Dolmetschen

Davon abgesehen, dass es Luthers hauptsächlich katholischen Kritikern wohl nicht geheuer war, dass alle heiligen Texte dem gemeinen Volk zugänglich sein sollten, verteufelten sie auch so viel übersetzerische Freiheit. Man warf ihm fehlende Texttreue vor, woraufhin Martin Luther während des Augsburger Reichstags 1530 entzürnt seinen „Sendbrief vom Dolmetschen“ verfasste, in dem er wortreich seine Kriterien einer guten Übersetzung darlegte und darauf beharrte, dass die oberste Maxime einer Übersetzung die Verständlichkeit für den Leser sein müsse.

Auch auf die Herausforderung, die solch Vorgehen an den Übersetzer stellt, ging er ein: „Ich hab mich des beflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar Deutsch geben möchte. Und ist uns sehr oft begegnet, dass wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einziges Wort gesucht und gefragt, haben’s dennoch zuweilen nicht gefunden. […] Lieber – nun es verdeutscht und bereit ist, kann’s ein jeder lesen und meistern. Es läuft jetzt einer mit den Augen durch drei, vier Blätter und stößt nicht einmal an, wird aber nicht gewahr, welche Wacken und Klötze da gelegen sind, wo er jetzt drüber hingehet wie über ein gehobelt Brett, wo wir haben müssen schwitzen und uns Ängsten, ehe denn wir solche Wacken und Klötze aus dem Wege räumeten, auf daß man könnte so fein dahergehen.“

Interpretationen

In zahlreichen konkreten Beispielen untermauert der Theologe seine Vorgehensweise als Übersetzer. Eines der Beispiele: So sei „Ave Maria, gratia plena“ eigentlich zu übersetzen mit „Maria voll von Gnade“. Aber „voll“ würden die Leute eher im Sinne von „voller Bauch“ verstehen. Also könne man das so nicht übersetzen. Er wählte im Deutschen daher „holdselige Maria“, damit die Menschen den richtigen Sinn von „Ave Maria, gratia plena“ besser erfassen könnten.

Und doch ist scheint auch der umsichtige und akribische Übersetzer Martin Luther selbst Opfer einer allzu wörtlichen Interpretation geworden zu sein: So soll der berühmte blaue Tintenfleck an der Wand seiner Arbeitsstube auf der Wartburg entstanden sein, als der Mönch sich mit einem beherzten Wurf des Nachts gegen den Satan gewehrt habe. Aber ob er da wirklich im Dunklen ein Tintenfass geworfen hat? Seine eigenen Worte dazu besagen, dass er „den Teufel mit Tinte vertrieben“ habe.

Das kann man durchaus auch anders verstehen.

Der Theologe Luther hat also sehr viel mit unserer deutschen Sprache zu tun. Und die Verbindung zum Bier gibt es auch: Seine Frau Katharina von Bora war Brauerin!

„Ich weiß wohl […], was für Kunst, Fleiß, Vernunft und Verstand zum guten Dolmetschen gehöret […].“ (Martin Luther)

 

Quellen:

www.luther2017.de
www.evangelisch.de
www.luthermania.de
www.luther.de