Frauen brauen? Heute back ich, morgen brau ich… ? Runzelige Hexenmeisterinnen mit spitzem Hut und schwarzem Kater auf der Schulter, die ein garstiges Gebräu zusammenrühren? Oder doch versierte Braumeisterinnen, die wohlschmeckende Biere brauen? Tatsächlich scheint der Gedanke, dass Frauen brauen, heute vielen eher abwegig. Mit dem Begriff Bier verbinden wir spontan Bilder mit Männerrunden, die gesellig in der Stammkneipe beim Bier zusammensitzen, heldenhaften, wettergegerbten Abenteurern, die auf steilen Berggipfeln oder auf dem einsamen Angelsteg ihr wohlverdientes Bier zischen, oder bärtigen, hippen Craft Brewern mit gelbem oder rotem Karohemd, schwarzer Wollmütze und zerschlissenen Jeans – Männern also!
Aber stimmt das? Ist Bier und Bierbrauen wirklich Männersache? Werfen wir doch mal einen kleinen Blick in die Geschichte dieses wunderbaren Getränks:
Wer hat’s erfunden? Altes Brot – neues Getränk
Diese Frage lässt sich heute leider nicht mehr eindeutig beantworten. Bierhistoriker gehen davon aus, dass das Bier wohl eine Zufallserfindung ist. Es könnte sein, dass nasses Brot zu gären begann, und irgendein Wagemutiger (oder eine Wagemutige!) entdeckte, dass die sich bildende Suppe gut schmeckte und obendrein noch „nette Nebenwirkungen» hatte. Beweisen lässt sich das natürlich nicht. Was aber durchaus bekannt ist: Das Bierbrauen gehörte zu den Haushaltsarbeiten und war somit – genau wie Brotbacken – Frauensache. So war ein Braukessel lange Zeit ein wichtiger Bestandteil der Mitgift, denn die Hausherrin sollte ja Bier brauen. Interessanterweise gab es in alten Zeiten übrigens nicht nur keine Bierbrauer (aber Bierbrauerinnen!), sondern auch keine Biergötter (aber Biergöttinnen!).
Sagenhafte Biergöttinnen
Bei den Sumerern war die „aus sprudelndem Wasser geborene» Göttin Ninkasi für das Bier zuständig. Im alten Ägypten kümmerte sich Tjenenet (auch Tenenit) um Bierbrauen und Geburten. Und im finnischen Nationalepos Kalevala gilt die Jungfrau Osmotar als Erfinderin des Bieres. Und nicht zuletzt leitet sich die lateinische Bezeichnung für Bier „cervisia» (die
jedem Asterix-Leser wohl bekannt sein dürfte… fabula docet…) von „ceres» ab, was einerseits Getreide bedeutet, andererseits aber auch der Name der Göttin des Ackerbaus ist. Das Bier also in göttlicher Hinsicht reine Frauensache…
Frauen brauen – alte Geschichte(n)
Bier gibt es schon sehr lange, so viel ist sicher. Und das Getränk, das Paracelsus als „göttliche Medizin» bezeichnete, hat eine lange, von Frauen geprägte Geschichte.
Frühgeschichte und Antike
Neueste archäologische Funde in der chinesischen Provinz Henan deuten darauf hin, dass die „Erfindung» des Biers bereits vor über 9000 Jahren stattfand. Hinweise auf das Brauen bierähnlicher Substanzen in der Frühzeit fanden sich auch im Vorderen Orient: Sumerer, Babylonier und Ägypter kannten bereits mehrere Rezepte zum Bierbrauen. Und auch Kelten und Germanen erfreuten sich schon mehrerer Biersorten – die die Frauen brauten.
Dass das Bier besser geriet, wenn es in der Nähe einer Backstube gebraut wurde, war schon damals bekannt. Die Entdeckung der dafür verantwortlichen Hefen sollte allerdings noch etliche Jahrhunderte auf sich warten lassen.
Doch weiter in der Geschichte:
Mittelalter
Ein gar seltsames Gebräu
Im Mittelalter war Bier in den meisten Landstrichen Europas das Volksgetränk Nummer 1. Gebraut wurde mit allen damals angebauten Getreidesorten, allem voran Hafer, aber auch Gerste, Weizen, Roggen sowie Hirse, Emmer und Einkorn. Hopfen wurde damals noch nicht verwendet, sondern man würzte das Bier mit dem sogenannten Grut (auch Gruit). Das Grut war eine spezielle Würzmischung, die sich aus den verschiedensten Kräutern zusammensetzte, wie zum Beispiel Schafgarbe, Rosmarin, Thymian, Lorbeer, Salbei, Anis, Wacholder, Koriander, Fichtensprossen, Wermut oder Heidekraut. Die Mischung des Gruts blieb das Geheimnis jeder Hausfrau, die Bier braute. Auch Stechapfel und Bilsenkraut waren gelegentlich im Grutbier zu finden, was vermutlich nicht allen Zechern immer gut bekam.
Hexentrank im Braukessel?
Natürlich versuchten die Brauerinnen (nein, es gab noch immer keine Brauer!), das Erzeugnis ihres Braukessels auch auf dem Marktplatz an den Mann (und die Frau) zu bringen. Aber das Mittelalter war eine düstere Zeit – vor allem für Frauen! Da der Gärungsprozess nach wie vor ein unerklärliches Mysterium war, und eher dem Zufall überlassen blieb, geriet kein Sud gleich dem anderen. So konnte es durchaus vorkommen, dass das Bier sauer wurde.
Natürlich schrieb man dies den Brauerinnen zu und beschimpfte sie als „Bierhexen«. Zutaten wie Bilsenkraut, Sumpfporst oder Fliegenpilz mit ihrer halluzinogenen Wirkung taten ihr Übriges, um im Bier einen Hexentrank und in der Brauerin eine Hexe zu sehen. Gerade in den finsteren Zeiten der Inquisition endete so manch brave Brauerin als übel verleumdete Hexe auf dem Scheiterhaufen! Übrigens erklärt sich so auch, dass wir die alten Symbole des Brauerhandwerks, wie den Brauerstern (sechszackig), der für die Qualität des Bieres stand, den umgedrehten Besen, der anzeigte, dass es frisches Bier gab oder auch Katzen, die als Mäusefänger das Getreide schützten, mit Hexen in Verbindung bringen.
Erst im Hochmittelalter begannen auch Männer Bier zu brauen. Und zwar dort, wo es keine Frauen gab: in den (Mönchs-)Klöstern.
Klosterbrauereien – florierende Unternehmen
Im Mittelalter waren die Klöster Zentren der Gelehrsamkeit. Dank des geballten Wissens wurden dort auch andere Bereiche, wie das Handwerk und die Landwirtschaft, emsig weiterentwickelt. So manches Kloster entwickelte sich zum florierenden Wirtschaftsunternehmen. Denn gemäß der Ordensregel des heiligen Benedikt sollten die Mönche alles, was sie zum Leben benötigten, so weit wie möglich selbst erzeugen. Sie mussten also Landwirtschaft betreiben und kamen so auch zum Bierbrauen. Zunächst brauten sie für ihren eigenen Bedarf, später verkauften sie ihr Bier auch außerhalb der Klöster.
Klosterbier – ein Verkaufsschlager
Und das Klosterbier war beliebt, denn es war gut. Besser als alles andere, was in dieser Zeit in den Braukesseln köchelte. Denn die Mönche wandten ihre Erkenntnisse und das in den Klöstern gesammelte Wissen auch auf die Erzeugung des Gerstensaftes an. Sie achteten auf die Qualität des Getreides und entwickelten verschiedene Brautechniken weiter. Zur Zeit Karls des Großen gab es alleine in Bayern etwa 300 Klöster, von denen einige schon seit mehr als 100 Jahren Bier brauten. Erst die Säkularisation beendete die Blütezeit des Klosterbiers jäh. Doch noch heute zieren Mönche so manches Bieretikett.
Aber nicht nur Mönche befassten sich mit dem Bierbrauen. Natürlich brauten auch Nonnen Bier. Und eine berühmte schrieb sogar die erste wissenschaftliche Abhandlung über das Bier: Hildegard von Bingen. Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären:
Frauen brauen – neuere Geschichte(n)
Denn auch nach dem Mittelalter, als das Bierbrauen wie das Brotbacken Sache der Hausfrau war, gab und gibt es sie: Frauen, die gutes Bier machen. Wie heißt es so schön im Märchen: heute back ich, morgen brau ich…
Gestandene Brauerinnen
Die Universalgelehrte
Hildegard von Bingen (1098 – 1179) war eine vielseitig begabte Frau, die im Hochmittelalter als Dichterin, Komponistin, Ernährungsexpertin, Kräuterkundlerin wirkte – eine natur- und heilkundige Universalgelehrte. Durch ihr für die damalige Zeit unglaubliches Wissen erlangte die benediktinische Äbtissin schon zu Lebzeiten den Ruf einer Volksheiligen. Sie beriet einflussreiche Persönlichkeiten ihrer Zeit wie den Papst oder Friedrich Barbarossa. Ihre medizinischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse hielt sie in den Schriften „Causae et curae» und „Physica» fest. Dort lobt sie das Bier als kräftigenden Heiltrunk („Cervevisiam bibat»). Auch die konservierende Wirkung des Hopfens im Bier war ihr bereits bekannt: „Mit seiner Bitterkeit hält er gewisse Fäulnisse von den Getränken fern.» Hildegard war also gewissermaßen eine der ersten Forscherinnen auf dem heute so viel beachteten Gebiet der Hopfenforschung!
Die Multitasking-Managerin
Weniger bekannt ist Katharina von Bora (1499 – 1552), die Frau von Martin Luther. Heute würde man wohl sagen, Katharina sei eine erfolgreiche Multitasking-Managerin. Denn die äußerst geschäftstüchtige ehemalige Nonne verwaltete Luthers Anwesen, kümmerte sich um Vieh, Ländereien, Finanzen, Haushalt und die Verköstigung der zahlreichen Gäste und Studenten, die sich um Luthers große Tafel scharten. Und sie war eine erfolgreiche Brauerin, die mit Wasser aus der hauseigenen Quelle und später sogar mit Hopfen aus eigenem Anbau in ihrer eigenen Brauerei wohlschmeckendes Bier braute und gewinnbringend verkaufte. Luther selbst schien Katharinas Bier auch sehr zu mögen. So schreibt er in einem Brief an sie, „nur nach Hause kommen zu wollen, wenn Bier gebraut wäre».
Die Bier-Revolutionärin
Die Augustiner-Brauerei in München kennt jeder, wenige aber wissen, welch große Rolle Frauen in der Geschichte dieser Brauerei spielen. Die erste in einer Reihe mutiger Frauen war Therese Wagner (1787 – 1858). Als ihr Mann, der Bräu, 1844 starb, hinterließ er eine Witwe mit fünf Kindern und ein nach den sogenannten Bierkrawallen tief in der Krise steckendes Unternehmen. Die «Augustinerin» stellte sich der Herausforderung und führte die Brauerei, gegen den teils erbitterten Widerstand der Münchner Bierbarone, selbst weiter. Mit viel Mut, Tatkraft und Offenheit für technische Neuerungen setzte sie sich in der von Männern dominierten Münchner Bierlandschaft durch und schuf die Voraussetzungen für den Bau des Brauereineubaus an der Landsberger Straße, wo das Augustiner noch heute gebraut wird. Und auch in den nachfolgenden Generationen gibt es starke Frauen, die die Geschicke der ältesten noch bestehenden Brauerei Münchens lenken, wenn auch manchmal eher im Hintergrund.
Dazu ist übrigens im Herbst ein sehr lesenswertes Buch erschienen. Der Roman „Thereses Töchter» schildert die Geschichte der Familie Wagner und der Augustiner-Brauerei. Nebenbei zeichnet er ein farbiges Bild der Geschichte des Biers und der Stadt München und bietet interessante Einblicke in Gesellschafts- und Zeitgeschichte.
Die Klosterbrauerin
Und dann ist da noch Schwester Doris Engelhard. Die 73-jährige Franziskanerin ist mittlerweile die einzige Klosterbrauerin in Deutschland und vermutlich auch in Europa. Seit mehr als 40 Jahren leitet Schwester Doris die Klosterbrauerei Mallersdorf in Niederbayern. Sie braut Helles, Zoigl und – je nach Saison – Bockbier. Für sie ist es übrigens die normalste Sache der Welt, Brauerin zu sein, schließlich sei die Versorgung – und damit auch die Herstellung von Bier – schon immer Frauensache gewesen. Und letztlich gibt es in der fränkischen Heimat der Klosterbrauerin eine ganze Reihe von Brauereien, die von Frauen geführt werden.
Craft Beer – neue Frauen-Power im Sudhaus
Auch wenn einem in den Bildmedien der Craft Beer-Szene noch immer sehr viele Craft Brewer mit Karohemd und wildem Bart – also Männer – entgegengrinsen, erobern sich immer mehr Frauen ihren Platz in der Welt der (Kreativ-)Biere zurück. Schließlich ist das Brauen ja – wie wir gesehen haben – durchaus keine Männersache…
So braut zum Beispiel Almut Zinn Biere ohne Bart, aber mit Charakter. Sie braut in einer Brauerei im Schwarzwald als Kuckucksbrauerin (oder Gipsy Brewer). Deshalb nennt sie ihr erstes in einer Reihe weiterer erfolgreicher Biere Kuckucksrot.
In Berlin hat Ulrike Genz mit ihrer Schneeeule-Brauerei dem alten Bierstil Berliner Weiße traditionsbewusst und kreativ neues Leben eingehaucht. Verschiedene Aromazutaten wie Blüten, Ingwer oder Chillies verleihen der Berliner Weißen von Schneeeule den modernen Touch.
Und dann gibt’s in Berlin noch die Brauerei, „deren Namen sich erst nach einigen Bieren fehlerfrei aussprechen lässt»: BRLO. Hier setzt Dr. Katharina Kurz seit 2014 erfolgreich ihre Idee von einem in Berlin verwurzelten, modernen Craft Beer um.
Die Bierfeen Gisela Meinel-Hansen, Monika Meinel-Hansen und Isabella Mereien entwerfen unter dem Label Holla die Bierfee außergewöhnliche Biere mit entsprechend (pink) gestalteter Aufmachung.
Frauen brauen – eine alte und neue Geschichte
Tatsächlich brauen Frauen schon sehr lange. Über Jahrhunderte hinweg haben Frauen Bier gebraut und gerne getrunken. In diesem Artikel sind nur sieben Frauen erwähnt, die heute sehr erfolgreich Bier brauen. Aber natürlich gibt es weltweit noch viel mehr talentierte und kreative Braumeisterinnen und Brauunternehmerinnen, die das Produkt Bier auf ihre Weise interpretieren. Und auch unzählige Frauen, die anderweitig mit Bier zu tun haben: Brauingenieurinnen, Biersommelières, Bierjournalistinnen und die ein oder andere Bierübersetzerin…
Eigentlich wollte ich hier ein Bild mit einer Brauerin platzieren. Allerdings konnte ich trotz akribischer Suche kein lizenzfreies finden! Soviel zu Bildern, die nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch in den Datenbanken der Medien vorherrschen…